Mittwoch, Mai 14, 2025

Interview mit Thomas Schmittinger

Vom 1. November zum 2. November hat unser forice89 Mitglied Thomas Schmittinger an der 24h Zeitfahrweltmeisterschaft in der Californischen Wüste in Borrego Springs teilgenommen. Dabei wurde er hervorragender Vizeweltmeister in seiner Alterklasse von 50-59 Jahren. Zusammen mit seiner Mutter, die ihn während des Rennens mit Essen und Trinken versorgt hat, ist er diese Herausforderung angegangen. Wie man sich auf so ein Rennen vorbereitet, was man vorher alles so zu erledigen hat und wie man sich in so einem Rennen fühlt hat er uns in einem ausführlichen Interview beantwortet.

Herzlichen Glückwunsch zur Vizeweltmeisterschaft in Deiner Altersklasse, Thomas! Danke, dass Du uns einen Einblick in so ein Rennen gibst.

Vorbereitung und Training

WhatsApp Image 2025 05 11 at 10.56.55 1

Wie hast Du Dich auf das Rennen vorbereitet?

Das Training steuert ab Januar auf die Saisonhighlights hin. Ich stimme mich da frühzeitig mit meiner Trainerin Susanne Buckenlei ab und Sie erhält von mir regelmäßige Rückmeldungen zu den Trainingseinheiten und meinem Wohlbefinden. Daraufhin werden dann die Trainingsintensitäten der Einheiten gesteuert. 

Wie sieht Dein wöchentlicher Trainingsumfang aus?

Ich trainiere insgesamt an 6 Tagen in der Woche. Montag ist in der Regel der Ruhetag. 5 Tage gehe ich zum Radfahren oder auf die Rolle im Keller. Da komme ich im Sommer schonmal auf 10-15 Wochenstunden, dass dann ca. 300km entspricht. Am Entlastungstag gehe ich zum Schwimmen.

Gab es besondere Herausforderungen während der Vorbereitung?

Die gibt es eigentlich immer. Familie, Arbeit usw. da muss man ab und zu die Termine und Trainings genau einplanen. Im Juni hatte ich einen kleinen Unfall, der mich 4 Wochen beim Training beeinträchtigt hat. Außerdem war 2024 der Frühling sehr nass und kalt. Es hat lang gedauert, bis man draußen ausgiebig fahren konnte. Im Großen und Ganzen konnte ich aber gut trainieren. 

Wie hast Du Dich auf die extremen Belastungen eingestellt?

Da es ja nicht mein erstes langes Radrennen war, wusste ich, was auf mich zukommt und was ich leisten kann. Damit lässt sich dann leichter umgehen. Trotz allem bleibt immer eine Ungewissheit, was in fast 24 Stunden auf einen zukommt. Vor allem war es ja ein neuer Kontinent, andere Klimatische Bedingungen, anderes Essen und Trinken und einfach wenig Zeit sich im Vorfeld intensiv vor Ort damit auseinander zu setzten. Ansonsten hilft es mir, sich auf kleinere Zwischenziele zu fokussieren.

Welche sind das denn?

In diesem Fall der erste Radwechsel, Sonnenuntergang, Sonnenaufgang, oder von der großen auf die kleine Runde. Wenn es kein Rundkurs sind dann auch gerne mal Flüsse, Autobahnen usw. 

Kann man sich im Training auf solche Belastungen vorbereiten?

Ja und Nein. Ein Rennen kann man einfach nicht simulieren. Auch die Dauerleistung geht nicht, da man dann zu viele Tage Ruhepausen braucht. Viele Situationen entstehen erst unterwegs und man muss improvisieren. Grundsätzlich sollte man alles vorher schonmal getestet haben. Das fängt von der Bekleidung an. Nichts anziehen, was man nicht kennt. Genauso die Verpflegung. Nur das, was man schon kennt. Also im Training alles austesten.

Motivation und Ziele

WhatsApp Image 2025 05 11 at 10.56.54

Was hat Dich dazu motiviert, an der 24h WM in den USA teilzunehmen?

Alles fing 2018 an. Die Jahresplanung stand bevor und hab mir, so banal es klingt, überlegt was mir denn so liegt. Die Antwort war dann Radfahren und mit wenig Schlaf komme ich auch gut klar. So habe mich beim Race across Germany angemeldet und habe es gefinisht. Seitdem habe ich 6 weitere Ultraradrennen beendet. Diese Weltmeisterschaft habe ich schon ein paar Jahre beobachtet und diesmal habe ich es mir Zeitlich einrichten können. Klar, wer will nicht mal in der Kalifornischen Wüste 24h im Kreis fahren. (lacht)

Mit welchen Zielen bist Du in die USA geflogen?

Natürlich habe ich mich mit den Vorjahresergebnissen auseinandergesetzt. Ich habe mit einem Altersklassenweltmeister von 2023 telefoniert. Die Strecke mit Google Streetview angeschaut. All das gab mir die Zuversicht, mit dem was ich leisten kann unter die besten 3 in meiner Altersklasse zu kommen. 

Was bedeutet es für Dich, das Rennen als Vizeweltmeister beendet zu haben?

Viel. Sehr viel. Man glaubt es erstmal nicht. Zu groß ist so eine Anstrengung. Nicht nur der Körper ist müde. Auch der Geist. Wenn ich so zurückblicke, waren “WIR” ausgerüstet wie Anfänger. Mit wir meine ich meine 81-jährige Mama und ich. Wir hatten ein Van, ein Karton mit Essen, ein Karton mit Trinken und eine kleine Box mit Ersatzteilen im Kofferraum. Die Mehrheit waren wie Profis ausgerüstet, mit Pavillons, Ersatzteilen, Montageständern und bis zu 5 Personen für Service und Wohlbefinden. Unglaublich, was da meine Mama allein für mich gemacht und geschafft hat. Vieles realisiert man erst nachher. Aber umso schöner empfindet man das auch anschließend.

Ausrüstung und Logistik

WhatsApp Image 2025 05 11 at 10.56.55 7

Wie muss man sich das vorstellen, mit Rädern in die USA zu fliegen?

Vor allem ist es teuer. Die Buchung mache ich ausschließlich übers Reisebüro. Die kennen mich schon und wissen, wo und wie die Räder angemeldet werden müssen. Dadurch dass es ein Direktflug nach Los Angeles war, ging das recht gut. Trotzdem sind 5 Gepäckstücke schwer gleichzeitig zu händeln. Vor allem ist man froh, wenn alle Gepäckstücke mit einem selbst angekommen sind. Ein Rennen ohne Rad wäre ja schwierig.

Wenn man angekommen ist, was passiert dann?

Der Flugtag war ja 8 Std. länger als ein normaler Tag. Trotzdem müssen nach dem Schlafen die Räder aus den Koffern aufgebaut werden. Pro Rad dauert das ca. 2 Std. Dann geht es auch gleich mit einem Rad für 2 Std. auf die Straße. Der Körper braucht nach dem Flug gleich wieder Bewegung.

Wann bist Du zum Rennkurs gefahren?

Ich bin 2 Tage vor dem Rennbeginn angekommen. Ich bin die Strecke gleich mit dem Auto abgefahren und in der Nacht das erste Mal mit dem Rad. Zum einen die Temperaturen in der Nacht einschätzen zu können, und zum anderen ein Gefühl für die Dunkelheit und die Beleuchtung zu bekommen.

Welche Erkenntnisse erhält man dann da?

Ich bin um ca. 23 Uhr gefahren. Da haben sich die 9 Grad noch recht angenehm angefühlt. Es wird aber noch kälter in der Nacht. Ich habe daraufhin meine Bekleidung festgelegt und auch die Räderwahl. 

Rennstrategie und Rennen

WhatsApp Image 2025 05 11 at 10.56.51

Wie sah denn dann Deine Rennstrategie aus?

Erstmal nicht von der Euphorie anstecken lassen und evtl. zu schnell losfahren. Nachdem die Sonne schon 1 Std. nach Rennbeginn untergeht, habe ich nach 2 Runden den Radwechsel geplant, um damit die ganze Nacht zu fahren. Bei Sonnenaufgang dann wieder aufs Zeitfahrrad wechseln und bis zum Zielschluss zu fahren.

Hat das so geklappt?

Ja, ich habe das genauso umsetzten können, obwohl ich heute weiß, dass ich zwar damit auf der sicheren Seite war, aber durchaus zu vorsichtig war. Ich wollte den Plan aber nicht unvorbereitet verwerfen. 

Was plant man sonst noch vorher?

Vor allem das Essen und Trinken. Alle 2 oder 3 Runden wollte ich Trinken und bei Bedarf auch Essen ans Rad holen. Auch hier eher eine defensive Variante. Ich hatte gegenüber anderen mehr Standzeit.

Und auch die Kleidung will geplant und vorbereitet sein, damit es schnell geht. Rennbeginn bei 23 Grad. Nach 2 Stunden nur noch 12 Grad und um 3 Uhr nur noch 7 Grad bis die Sonne aufgeht und man recht zügig wieder über 20 Grad ist. Auch herausfordernd.

Wie lief dann Dein Rennen?

Vieles lief genauso wie ich es geplant und wie ich es mir vorgestellt habe.

Und was war dann nicht so wie geplant?

Zum einen die Nacht. Die Vorstellung war Nacht ist Nacht und ich bin ja schon öfters durch die Nacht gefahren. Aber im Sommer sind die Nächte kürzer, und meistens auch wärmer. Es war länger Nacht (13 Std.) als Tag. Das habe ich unterschätzt. Es wurde da sehr zäh.

Und sonst?

Es kam viel Wind am späten Vormittag. Der war die 2 Tage vorher nicht so stark. Erst wurde es anstrengend gegen den Wind. Als er immer stärker wurde, konnte man die Hälfte der Strecke kaum noch fahren. Das Zeitfahrrad machte es mit den Flächigen Profilen und einer Scheibe am Hinterrad auch sehr schwierig. Hier habe ich ernsthaft überlegt, entweder das ganze Rad zu wechseln oder die Laufräder. Da habe ich Zeit und Nutzen abgewägt. Zum Glück wurde mir die Entscheidung abgenommen, da der Veranstalter erst die kleine Runde 2 Std. früher aufgemacht hat, und dann sogar das Rennen 30 min früher beendet hat.

Sind solche Entscheidungen im Rennen schwierig?

Das empfinde ich nicht. Das ist Teil so eines Rennens. Man kann keine 24h durchplanen. Es wird immer irgendetwas anders sein. Da muss man im Kopf variabel bleiben und die Situation so nehmen wie Sie kommt. 

WhatsApp Image 2025 05 11 at 10.56.55 6

Uns interessieren noch ein paar Fakten? Zeit, Durchschnittsgeschwindigkeit usw. So ein bisschen von dem, was die modernen Helferlein am Rad liefern.

In der Ergebnisliste stehe ich mit 691,37km die ich in den 23:16 Std. gefahren bin. Das entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von brutto 29,8 km/h, also mit den Standzeiten. In Bewegung ohne der Standzeiten war es ein Durchschnitt von 30,5 km/h

Für die Zahlenfreaks. Dabei hatte ich einen Durchschnittspuls von 126 bpm und habe dabei 203 Watt NP im Durchschnitt geleistet. In dieser Zeit habe ich 17.563 Kalorien verbrannt und verliere dabei 13.927 ml Schweiß. Letzte Zahl. Ich habe insgesamt 86.451 Pedalumdrehungen gemacht.

Beeindruckende Zahlen. 

Danke schön!

Kannst Du Dir vorstellen nochmals daran teil zu nehmen?

Sag niemals nie! 😉

Und wie sehen die Ziele für dieses Jahr aus?

Das Jahr ist so gut wie geplant. Es wird wieder ein langes Ultrarennen geben, und es wird etwas Neues und Spannendes für mich werden. 

Auf was freust Du Dich in diesem Jahr?

Mit forice89 an einem Tag nach Wien in Selbstverpflegung. Etwas von dem, was ich gelernt habe, weiterzugeben. Etwas die Leidenschaft zu vermitteln und evtl. andere dabei zu unterstützen so ein Ziel zu erreichen. 

Und wenn es von der Familie her klappt auch die Radfernfahrt nach Fondi. Ein tolles Projekt, wo ich gerne dabei will.

Dann viel Spaß in der Saison und danke für das Interview!

WhatsApp Image 2025 05 11 at 10.56.55 5