Flandern Rundfahrt - mehr als ein Radrennen
Nachdem ‚Rund um Köln' am Ostermontag bisher mein Einstieg in die Saison war und dieses Jahr erstmals am 14. Juni ausgetragen wird, musste ein Ersatz gefunden werden. Nach ein wenig Recherche war klar, die Flandern-Rundfahrt für Hobbyfahrer (RONDE VAN VLAANDEREN CYCLO) am Ostersamstag, wird das Ziel. Auf die Frage nach Mitfahrern aus dem forice-Kreis hat Ralph Heckel spontan zugesagt.
Wir sind für die 134 km-Runde mit 17 Hellingen (Bergen) und 10 km Pflasterstrecke (Cobblestones) eingeschrieben, jetzt fehlte nur noch eine passende Unterkunft. Judith hat mal wieder etwas ganz besonderes gefunden: "De 4 Vaargetijden". Das Kreuzfahrtschiff oder besser das Hausboot startete seine Karriere 1924 als Frachtkahn.
Über 50 Jahre lang diente das Boot, mit einer Ladekapazität von 184 Tonnen hauptsächlich dem Transport von Sand und Kies. Das Schiff wurde 1998 komplett renoviert und für die Beförderung von Passagieren umgebaut. Zur Flandernrundfahrt liegt es nur ca. 1 km vom Start an der Schelde. Wir haben zwei Kabinen gebucht:
Am Freitag waren wir auf dem Weg nach Flandern. Das Rad mit speziellen Paris-Roubaix-Reifen bestückt, doppeltes Lenkerband, alle Schrauben nochmal nachgezogen. Nachdem wir uns an Brüssel vorbeigeschlängelt haben sind wir am Boot in Oudenaarde angekommen.
Wenig später sind auch Ralph und Angela da. Auf einem großen Parkplatz in der Nähe des Bahnhofs ist genug Platz für die vielen "Wielertouristen". 500 Meter weiter können wir uns die Startnummer abholen. Alles perfekt organisiert und unkompliziert. Die Startnummer für den Lenker hat einen integrierten Transponder. Dazu gibt es eine Trinkflasche und gegen Bezahlung ein T-Shirt mit der „Ronde" und der Siegerliste der letzten Jahre. Mittlerweile strömen viele belgische, italienische, englische, niederländische und spanische Autos auf das Gelände.
Zurück am Schiff bauen wir unsere Räder zusammen und befestigen die Startnummer am Lenker. Anschließend werden die Energiespeicher noch einmal aufgefüllt.
Und dann gehen wir früh schlafen. Um 5.00 Uhr klingelt der Wecker. Um 5.30 Uhr gibt es Frühstück mit belgischer Unterhaltung durch den Captain und seiner Frau.
Dann machen wir uns fertig für den Einsatz. Es ist ziemlich kalt (4°C) und der Wetterbericht sagt trockenes Wetter voraus. Na, wenigstens etwas. Mittlerweile ist es kurz vor 7.00 Uhr, schnell aufs Rad und nichts wie ab zum Start. Leider kommt gerade ein Frachtschiff und die Hebebrücke gibt uns den Weg nicht frei:
Aber nach 10 Minuten warten kann es losgehen. Wir suchen noch ein wenig den Start und wundern uns dass wir trotz 16.000 Meldungen kaum Radfahrer sehen. Macht nichts. Je weniger auf der Strecke bei den schmalen Sträßchen sind, umso besser.
Wir hängen uns hinter zwei Fahrer die anscheinend den Weg aus Oudenaarde hinaus kennen. Mit 26 km/h mit Licht geht es los. Zunächst kurvt man durch ein Industriegebiet und die Außenbezirke. Dann geht es auf Radwegen und Nebenstraßen. Dann ist nach ca. zehn Kilometer plötzlich Schluss mit gemütlich: der erste Helling, der Wolvenberg ist da. 8% im Schnitt, max. 17% geht es über die Cobblestones. Mittlerweile hat leichter Regen eingesetzt, echtes Klassikerwetter halt. Für die Reifen gibt es teilweise wenig Halt. Im Wiegetritt schießt man sich schnell ins Aus. Also im Sitzen treten. Es geht zivilsiert zu, die meisten atmen tief. Noch 124 km.
Mit über 30 Sachen und leichtem Rückenwind geht es in Richtung Ostflandern. Nach drei Pflasterstrecken und dem Molenberg kommt bei km 28 die erste Verpflegung. Perfekt organisiert. Neben den üblichen Bananen, Riegeln etc. gibt es hier belgische Waffeln. An den Wasser- bzw. Isozapfhähnen können sich 30-40 Sportler gleichzeitig bedienen.
Erschöpfung ist hier nicht zu spüren, nur sind wir mittlerweile "leicht kalt und nass" geworden, somit füllten wir nur kurz unsere Flaschen, aßen etwas und dann ging es weiter. Von Verpflegung Nummer eins bis zu Nummer zwei bei Kilometer 66 gibt es weitere vier Hellinge zu befahren. Am bekanntesten der Valkenberg mit 8%, max. 13%. Die Beine fühlen sich gut an und der Puls liegt bei mir etwas höher da ich einen leichten Infekt habe.
Danach geht es dann in immer kürzeren Abständen zur Sache. Mit dem Koppenberg stand ein weiterer berühmter Anstieg auf dem Programm (9,4%, max. 22%).
Es ging recht gut, denn in der schmalen Hohlgasse hat man keine Chance, wenn zwei Leute nebeneinander absteigen. Dann muss man hochschieben. Das blieb uns erspart. Auf dem schmierigen Pflaster voller Erde war Schieben nur unwesentlich langsamer als fahren. Es ist aber nicht so einfach mit den Cleats auf den nassen, glitschigen Pflastersteinen zu laufen.
Ab Kilometer 76 bauen sich die Hellingen nach und nach vor einem auf. In den Hellingen sind wir Vollgas gefahren – soweit das in der Gruppe und bei Regen ging und danach haben wir versucht uns etwas zu erholen. Was auch gut klappte.
Auf den nächsten 40 km waren acht Hellingen zu bewältigen. In Erinnerung ist mir besonders der Taienberg, geblieben. Rechts neben der Fahrbahn ist eine kleine Regenrille, in der Boonen regelmäßig attackiert, ich hatte aber schon Probleme da drin das Gleichgewicht zu halten. Auch der Eikenberg hat es in sich. Man fährt erst rein und es ist flach, doch dann kommt nach ca. 500m eine Rechtskurve und man steht in einer steilen Wand.
An der dritten Verpflegung (Red Bull) sind wir durchgefahren. Wir waren völlig durchnässt und durchgefroren. In den Anstiegen ging es immer zäher. Auf den Flachstücken hatten wir ganz gut Zug auf dem Pedal. Richtig Laune machen die Abfahrten. Die lassen sich fast alle komplett einsehen und man kann es rollen lassen solange es Belag und Wetterlage zuließen.
Schließlich merkte ich dann doch die Beine langsam. Und dann kam nach meinem Empfinden ein weiterer harter Anstieg der Ronde, der Kruisberg. Man fährt durch eine scharfe Rechtskurve, dann hat es schon 7-8% bis zum Ende der ersten Geraden. Anschließend kommt eine langgezogene Rechtskurve, in der die Steigung nicht sinkt. Und nach dieser Kurve kommt ein ca. 500-600m langes, gerades Pflasterstück wo die Steigung nicht mehr unter 8% fällt. Das alles auf dem Pflaster, wo man nicht mal in den Wiegetritt gehen kann - das schmerzt in den Beinen. Am Ende der Geraden denkt man, der Anstieg ist geschafft. Nein! Wir biegen nach rechts auf einen schmalen Radweg an einer Nationalstraße ab, wo es bis zu einer Kuppe nochmal 300-400m mit ca. 6% geht. Das Ding kann einen den Saft aus den Knochen ziehen. Nach der nächsten Helling, der Karnemelbeekstraat kam oben direkt die rettende letzte Verpflegung. Da hatten wir eine Pause auch dringend nötig.
Zum Glück hatte diese Helling kein Pflaster, sondern nur Asphalt zu bieten aber die 1500m da hoch mit max. 10% haben gereicht, dass wir oben an der Kontrollstation ziemlich blau waren. Ich habe dann versucht etwas zu essen. Doch nach 103 km und fast fünf Stunden im Sattel fängt irgendwann der Magen an zu rebellieren. Irgendwie habe ich mir da noch ein Gel reingedrückt. Also noch einmal die Flasche aufgefüllt und ab ging es ins Finale. Es standen noch der Oude Kwaremont und der Paterberg als Höhepunkte auf dem Programm.
Vom letzten Kontrollpunkt fährt man nur noch eine Abfahrt und dann ist man quasi schon im Kwaremont. Dementsprechend ging bei mir im Kwaremont, mit den auf der Abfahrt ausgekühlten Beinen nicht mehr viel. Das erste Stück unten ist sehr moderat und gut asphaltiert. In der Mitte wird es mit bis 10% verdammt schwierig auf dem Pflaster, dann wieder ein kurzes Flachstück, damit es dann im Ort oben nochmals mit 4-5% ansteigt. Da waren wir froh, als wir oben waren.
Es fehlte also nur noch der Paterberg, Helling Nummer 17. Gesagt getan. Man kommt aus einer langen und schnellen Abfahrt zum letzten Hindernis. Ich hatte den Anstieg noch gar nicht auf dem Schirm, als vor mir bereits alle aufs kleine Blatt gingen. In der Rechtskurve, in der es John Degenkolb schon einmal abgeräumt hat, muss man echt aufpassen. Vor mir fuhr eine kleine Gruppe, an der ich schnell vorbei fuhr um an dem 20% Stück nicht absteigen zu müssen. Gesagt getan, das Steilstück ist auch gerade mal 100-200m lang flöst einem aber schon beim Anblick gehörig Respekt ein. Leider gab es am steilsten Stück einige Absteiger und es war so glatt dass man beim Gehen sich besser an der Absperrung festgehalten hat.
Damit waren die Schwierigkeiten geschafft. Die Abfahrt vom Paterberg war richtig schnell und dann gings durch eine Ortschaft auf eine breite Nationalstraße, wo wir in einer 10-15 köpfigen Gruppe fuhren. Jedoch hatten wir Gegenwind und die Jungs fuhren nicht übermäßig schnell. Die letzten zwei Kilometer ins Ziel durfte man sich wie ein Profi fühlen und durchs Ziel rollen. Für uns Hobbyfahrer ging es dann über den Markt zurück zum Start.
Nach 5,5 Stunden Fahrt bei um die 0°C und Dauerregen waren wir am Ziel. Geschafft! Wir waren dabei, ganz im Gegensatz zu Fabian Cancellara. Im Ziel gab es dann das Finisher T-Shirt und ein paar Selfies:
Hier noch ein Video von der >>> klick Flandern Rundfahrt <<<klick
Fazit:
- Ich kenne kaum ein so radsportverrücktes Völkchen wie die Flamen
- Das Rennen muss man mal gefahren sein
- Die Ronde ist nicht so "schmerzintensiv" wie Roubaix
- 5 Stunden auf dem Rad vergehen schnell, wenn es nicht gerade 0°C hat und regnet
- Das Ganze ist super organisiert, da kommt keine deutsche RTF ran
- ... und: Die Ronde ist optimales Intervalltraining. Da man die Hellingen immer Vollgas fährt, hat man immer ein paar Minuten EB-/SB-Intervalle
Am Sonntag durften die Profis dann bei herrlichem Sonnenschein ihr Rennen fahren. Das echte Klassikerwetter hatten jedoch nur wir. Hat jemand Lust nächstes Jahr mitzufahren? Auf dem Schiff gibt es acht Schlafplätze ...